Julia muss auch in dieser Inszenierung nicht auf ihren Balkon verzichten – allerdings wird dieser wie das gesamte Bühnenbild in außergewöhnlicher Form gestaltet sein. Unter Leitung der angehenden Kunstpädagogin Luise Hampel, Studentin an der Goethe-Universität Frankfurt, bringt unsere Bühnenbildgruppe mit Philipp, Adriano, Marlen, Alex und Patrick die Kulissen des Dramas in die Klosterkirche der JVA Rockenberg. Neben Kirchenschmuck und Heiligenfiguren werden Stellwände, Fototafeln und Projektionsflächen für das passende Ambiente der Neuinszenierung sorgen.

Mit den Studentinnen Denise, Alisa und Johanna gestaltet Luise Hampel auch die Kostüme der Darsteller_innen. Nähstunden, Fundusbesuche und Flohmarkterkundigungen liefern viel Stoff für neuartige Gewandungen für Romeo, Julia und Co.

 

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Begonnen hat alles mit einem Anruf aus dem Art-Q Büro, der in etwa so ablief:

Art-Q: Hey hast du Lust ein Bühnenbild zu bauen
Ich: ja klar! Wo?
Art-Q: In einer Kirche
Ich: Aha! Hier in Frankfurt?
Art-Q: Naja die Kirche steht im Knast
Ich: HaHaHa…….
Art-Q: Also bist du jetzt dabei oder nicht?
Ich: Wie? Mmh, also, naja, eigentlich…..!? Ja okay ich bin dabei!

Nach diesem Anruf ging die Fantasie mit mir durch. In meinem Kopf entstand ein erstes Konstrukt einer Bühne in einer Kirche, welche sich im Knast befand. Wie sieht so eine Knastkirche eigentlich aus? Wie sieht es denn überhaupt im Knast aus?
Zum Thema Bühne, Knast, Schauspiel und Musik, kam mir lustigerweise gleich das Musikvideo zum Song „Jailhouserock“ von Elvis Presley in den Sinn. Singende und tanzende Gefangene, die sich vor wilden Lichtorgeln über mehrere Bühnenebenen jagen, um letztendlich doch wieder in ihre Zellen eingesperrt zu werden. Ja so könnte ein Bühnenbild aussehen.
Der erste Besuch im Knast. Endlich war es so weit, bisher war mein Gefängnisbild geprägt von „Der Panzerknackerbande“, Hollywoodstreifen wie „The Rock“ mit Nicolas Cage oder von sich ständig wiederholenden Beiträgen, öffentlicher Fernsehsender, mit Titeln wie „Der härteste Knast der Welt“.
Dementsprechend war ich überrascht von dem echten Knast. Keine Gefangenen die schwere Metallkugeln an dicken Ketten hinter sich herziehen, oder welche die sich an in die Jahre gekommenen Fitnessgeräten auf dem Hof, ihre Muskeln aufpumpen. Der Knast befindet sich in einem ehemaligen Kloster, eine wirklich schöne Historische Anlage. Nachdem wir durch verwinkelte Gänge und unzählige verschlossene Türen geführt wurden, standen nun wieder vor Einer, welche nur mit einem, wohl aus dem Mittelalter stammenden Schlüssel zu öffnen war.
Der Pastor öffnete die massive Tür und plötzlich befanden wir uns in dieser tollen Kirche aus dem 14. Jahrhundert, mit Statuen und allem was zu einer richtigen Kirche gehört. Das passte nun gar nicht zu meinem Gefängnisbild und ich war beeindruckt von unserem späteren Aufführungsort.
Die ersten Treffen in der Gruppe, wir waren zunächst zu Dritt, standen nun an. Nach einigen Terminabsprachen musste ein Modell her, welches am Tagesende schon sehr dem Bühnenbild des eben erwähnten Jailhousrock-Viedos ähnelte.
Naja, wie sich später herausstellen sollte, sind wir glücklicherweise bessere Bühnenbildner als Modellbauer . Ja es ist die Verpackung einer Tiefkühlpizza und ja es sind Schaschlikspieße.
Neben diesem Modell entstanden auch zahlreiche Skizzen, Ausdrucke und handgezeichnete Bilder, welche mit Reißzwecken zeitweise so eng aneinander gepinnt wurden, dass die dahinterliegenden Wände des Büros nur noch zu erahnen waren.

Nachdem das Drehbuch der Schauspieler konkrete Züge angenommen hatte, konnten wir nun endlich beginnen die ersten Requisiten für das Theaterstück herzustellen. Zunächst mussten 2 identische Särge her, einer für Julia und einer für Romeo. Da es immer noch Sommer und unsere Bauarbeiten unglaublich viel Lärm und Dreck verursachen würden, verlagerten wir unseren Arbeitsbereich ins Freie, was später auch an unserem Sonnenbrand zu erkennen war.
Beim Durchforsten riesiger Sperrmüllhaufen nahm die Kreativität ihren Lauf und so wurden in einigen Tagen Arbeit aus einem alten Jägerzaun, Dachlatten und Deckenverkleidungen die Särge für die beiden Hauptdarsteller.

Nach einigen Schauspiel-und Chorproben im Rockenberger Knast stellte sich ein weiteres Problem heraus. Aufgrund dessen, dass die Spielfläche in der Kirche so klein war konnte der Chor unmöglich sichtbar bleiben da man sie als Zuschauer nicht zweifelsfrei von den Schauspielern hätte unterscheiden können. Dies hätte für verwirrende Unordnung auf der Bühne gesorgt. Also hatten wir die Aufgabe Stellwände zu bauen, welche zum Einen den Zweck erfüllen sollten den Chor bei Bedarf verschwinden zu lassen und zum Anderen die Möglichkeit bieten sollten verschiedene Szenenbilder schnell herzustellen

An dieser Stelle auch nochmal ein herzliches Dankeschön an die Schlossergruppe Im Gefängnis, die uns Unverwüstliche Füße bauten, welche unsere 10 Stellwände überhaupt erst zum stehen brachten.
Nun mussten 5 Szenenbilder her, welche unsere Bühne innerhalb kürzester Zeit in Szenerien wie die des Maskenballs, der Beerdigung, Hochzeit, Verbannung oder die der Wiederauferstehung verwandeln würden. Da wir insgesamt 10 Stellwände brauchten um den Chor vollständig verschwinden zu lassen bestand nun jedes einzelne der 5 Szenenbilder aus jeweils 10 einzelnen Bildern. Diese haben wir zum Teil selbst gezeichnet oder aus passender Strukturtapete hergestellt. Um sie während der Aufführung unauffällig tauschen zu können, wurden sie an den oberen Ecken mit Ösen versehen, so dass sie vom Chor im richtigen Moment gewechselt werden konnten.
Nachdem nun Die Rahmen und die Särge fertiggestellt waren, sollte unser Bühnenbild durch Projektionen den letzten Schliff erhalten. Wer wie wir am Anfang denkt, dass das nur noch eine Kleinigkeit darstellt der täuscht sich. Denn die Technik hat uns einige schlaflose Nächte bereitet. Zunächst mussten bearbeitete Bilder her um sie später Grafisch auf die Beamer und die Programme der Computer anzupassen. An dieser Stelle auch nochmal ein großes Dankeschön an das Team der Medienwerkstatt der FH-Frankfurt, welches uns 2 Beamer und einen Laptop kostenlos zur Verfügung stellte.
Obwohl wir ohne Probleme noch ein bis zwei Wochen am Bühnenbild hätten bauen können, war nun schon der Tag der Premiere.
Okay, alles muss an seinen Platz, die Beamer werden mühsam in 6 Metern höhe positioniert, die Technik läuft vorerst, die Särge sind noch ganz und die Rahmen stehen an ihrem Platz. Selbst nach der kurzen Generalprobe machte alles noch einen guten Eindruck und dann kamen auch schon die ersten Gäste und die Aufregung stieg ins Unerträgliche.
Das erste Szenenbild steht perfekt, das Licht erlischt, alle Schauspieler schwärmen aus und gehen an ihren Platz, alles ist ruhig, dann beginnt die Musik und im richtigen Moment startet die erste Projektion. Gänsehaut!!!
Alles läuft wie geplant, doch trotzdem bleiben die Hände bis zum Ende der Vorstellung feucht und kalt. Erst nach einem tosenden Applaus und standing ovation war klar wir haben alles richtig gemacht. Der Stress und der hohe Aufwand waren schnell vergessen denn dafür hatte es sich gelohnt.

 

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